Grundannahmen

Wenn ich einem anderen Menschen begegnen, eine Beziehung gestalten will, kann ich dies auf sehr unterschiedliche Weise tun. Für die Begegnung mit den Menschen, die mir in meiner beruflichen Tätigkeit anvertraut sind, gehe ich - abgeleitet von den erwähnten pädagogischen Hintergründen - unter anderem von folgenden Grundannahmen aus:

  • Alle Menschen - ob mit oder ohne Entwicklungsbeeinträchtigungen - haben neben selbstverständlichen körperlich-physiologischen Bedürfnissen (wie Schlaf, Nahrung, Bewegung ...) auch seelische Bedürfnisse, deren fehlende Befriedigung schwere Folgen haben kann und oft Auslöser für besonderes, manchmal problematisches, Verhalten ist. Zu diesen gehören nach WOLFGANG NAUCK die Bedürfnisse nach Sicherheit, Liebe, neuen Erlebnissen, Erfolgserlebnissen, Selbstachtung, Freiheit zu eigener Gestaltung (schöpferischen Tun)
  • Verhalten ist Kommunikation. Manchmal ganz offensichtlich als Ersatz zu verbaler Kommunikation eingesetzt, oft viel versteckter und weniger deutlich. Umso wichtiger ist es zu versuchen, dieses Verhalten zu verstehen. Zu verstehen als gewählte (und vielleicht im Moment alternativlose) Ausdrucksmöglichkeit, als Kompetenz. Zu verstehen, welches Bedürfnis dahinter steckt. Erst auf Grundlage dieses Verstehens können wir uns dann gemeinsam auf den Weg der Suche nach Verhaltensalternativen machen.
  • Jedes Verhalten verfolgt einen positiven Zweck. Das gilt auch für Personen mit herausforderndem Verhalten. Auch an dieser Stelle geht es darum, den dahinter stehenden Zweck, das tiefliegende, vielleicht verschüttete, Bedürfnis zu entdecken, "auszugraben" und dann gemeinsam nach Möglichkeiten zu suchen, wie dieses befriedigt werden kann, ohne auf ein Verhalten zurückgreifen zu müssen, welches seine Integration erschwert.
  • Ich kann das Verhalten eines anderen nicht verändern. Das kann nur der Betreffende selbst. In der Begleitung und Assistenz von Kindern und Jugendlichen sehe ich es als meine Aufgabe, mich mit diesen gemeinsam auf den Weg zu machen. Auf der Grundlage der Analyse des Verhaltens und der möglicherweise dahinter stehenden Bedürfnisse machen wir uns gemeinsam auf die Suche. Anhand von Erfolgen, welches das Kind dabei erlebt und durch die Befriedigung der Bedürfnisse auf andere Weise wird es bereit sein, sein Verhalten zu ändern.
  • Ich bin mir der unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten von Eltern und ihren Kindern auf der einen Seite und meiner Arbeitswirklichkeit bewusst. In diesem Rahmen sehe ich Eltern als Experten für ihre Kinder und das Kind als Experte seiner selbst und nehme sie auf dem Weg einer gemeinsamen Erziehungspartnerschaft als gleichberechtigt ernst. 
  • Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsbeeinträchtigungen erleben mehr als andere - insbesondere im Zusammenhang mit auffälligem oder herausfordernden Verhalten - Ablehnung und Ausgrenzung. Mir ist es wichtig, gerade diesen Kindern zu helfen, Vertrauen zu entwickeln und das Gefühl eines "ohne Vorleistung Angenommenseins" zu erleben. 

Meine Arbeit beruht auf einem christlichen Menschenbild, welches die Achtung und Wertschätzung jedes Geschöpfes einschließt. Aus dem Verständnis heraus, dass "Behinderung" eine Variante menschlichen Lebens ist, ist für mich der Mensch mit Behinderung vollkommen und von Gott gewollt, geliebt und angenommen. Er bedarf keiner Verbesserung. 

Ich selbst weiß mich von Gott getragen und geführt. Ich weiß mich von IHM angenommen. Mit meinen Fähigkeiten und Grenzen, mit meinen Fehlern und Unzulänglichkeiten. Und in meiner Arbeit weiß ich, dass ich nicht alles erreichen kann und muss, nicht über alle Antworten verfügen kann und muss. Das heißt für mich, dass ich abgeben kann. In seine Hand.

Ich bin überzeugt davon, dass Gott so groß ist, dass er für jeden Menschen einen Weg zu ihm hat. In diesem Sinne sehe ich den interreligiösen und interkulturellen Dialog als Bereicherung und bin für jeden Austausch dankbar. Im Rahmen einer interkulturellen und interreligiösen Erziehung möchte ich die Kinder und Jugendlichen befähigen, einander in Offenheit, Interesse und Toleranz zu begegnen, Gemeinsamkeiten wahrzunehmen und auch das, was trennt, auszuhalten.

Ziel der Begleitung ist die Entwicklung von Vertrauen und die Sicherheit, bejaht und ohne Vorleistung angenommen zu sein. Dabei stellt sich diese Begleitung als Angebot dar.