Indien

Es gibt wohl kaum ein anderes Land mit solch vielen Kulturen, Sprachen und Religionen. Hier prallen Weltanschauungen aufeinander und die Gegensätze sind extrem deutlich.

In den letzten Jahren war ich häufig dort. Die Begegnung mit den Menschen dort prägt, verändert, lässt eigene Normen und Werte überdenken. Viele Begegnungen haben mich zutiefst berührt und nachdenklich gemacht. Nachdenken darüber, was im Leben wirklich wichtig und notwendig ist. Darüber, worauf man vielleicht verzichten kann. Darüber, wie man Gegensätze aushalten kann. 

Eine Erfahrung zog sich durch alle Besuche: Wertschätzung. Empfangen und gegeben. Wertschätzung als Grundlage eines Miteinanders. 

Einige dieser Begegnungen möchte ich an dieser Stelle vorstellen, da sie mich auch heute noch bewegen und immer mal wieder nachdenklich machen.

 

Ein "Housemaid" - eine alleinerziehende Mutter von 2 Töchtern. Ihr begegnete ich in den Jahren immer wieder und bewunderte sie dahingehend, wie sie jeden Tag ihre immer gleiche Tätigkeit mit einem Lächeln verrichtete. Haus reinigen und kochen für andere. Darauf hin befragt sagte sie mir einmal "Wenn ich einmal hier nicht mehr arbeite, dann wird diese Tätigkeit jemand anders verrichten. Aber was bleiben wird ist, dieses Lächeln, diese Freude daran". Diese Frau hat nie Lesen und Schreiben gelernt, sie lebt in einfachsten Verhältnissen und hält sich mit dieser Arbeit "über Wasser". Ihre Aussage (nur ein Teil eines längeren Gesprächs) hat mich sehr beeindruckt.

 

 "Umang" (Heimat) - eine Einrichtung für junge Menschen mit einer geistigen Behinderung in der Nähe von Karjat (ca. 100 km entfernt von Mumbai). Mich beeindruckte das hohe Engagement und die Wertschätzung der Menschen dort und die daraus resultierenden Möglichkeiten für die dort Wohnenden. Die Einrichtung wird gefördert von der niederländischen Organisation "Stiching Welzijn Kinderen van Bal Anand"  

 


 

Ein "sonderpädagogisches Förderzentrum" ... eine der wenigen Schulen für Kinder mit geistiger Behinderung in Kerala, im Süden Indiens ... gefördert von TATA, einem der größten Industrieunternehmen Indiens. Es gab keine großen Unterschiede zu den gleichartigen Schulen bei uns.

 

Vicky - ein Junge, der mir im Sabarmati-Ashram in Ahmedabad begegnete. Er war ein totaler Fan von Mahatma Gandhi (Gandhiji), zeigte mir den gesamten Ashram, Gandhis Geburtshaus und saß dann über eine Stunde mit mir bei einem internationalen und religionsübergreifenden Gebet (von welchem er sprachlich 10 % verstand und welches nur in Teilen seiner Religion entsprang). Wir hatten außer gegenseitiger Wertschätzung und Interesse keinerlei gemeinsame Sprache. Denn er sprach weder Englisch oder Hindi, sondern nur Gujarathi.

 

Kolkata. Die Slums, Squatters und Pavement settlements. Kennengelernt durch eine MISEREOR-Aktion und 2013 und 2015 war ich einige Zeit dort. Was dort von der muslimischen Organisation "Tiljala Shed" geleistet wird ist beeindruckend. Hier wird Kindern Zukunft gegeben. Der Besuch einer staatlichen Schule bleibt ihnen zum Beispiel verschlossen, daher organisiert die Organisation eine eigene Schule.

 

Hausaufgaben am Nachmittag in sicherer und betreuter Umgebung. Ich erlebte die Kinder als hochgradig wissbegierig.

 

Aber auch Spaß und Freude kam nicht zu kurz. Ein tolles Miteinander und voneinander lernen, welches in mir noch lange nachklingen wird.

Sagar ... Ein Junge aus einem meiner Patenschaftsprojekte. Mit ihm unterwegs fotografierte er unter anderem viele christliche Symbole. Er selbst ist Hindu, hatte bisher keine Begegnungen mit anderen Religionen, war vorher noch nie weiter als 30 km von seinem Dorf entfernt. Auf die Frage nach dem "Warum" antwortete er: "Wenn diese Symbole für dich eine Bedeutung haben, sind sie für mich auch wichtig!"